Erneuter Brandanschlag in Solingen

Nach dem zweiten Brand in einem überwiegend von Einwandererfamilien bewohnten Haus in diesem Jahr, bei dem 22 Personen verletzt wurden, fühlen sich viele Menschen in der Stadt nicht mehr sicher

Die Bewohner*innen des Hauses an der Wittkuller Straße in Solingen-Wald wurden nach Angaben von Augenzeugen in der Brandnacht vom 8. auf den 9. Juni gegen 1.15 Uhr von den Rufen eines Hausbewohners, der gerade von der Arbeit kam und den Brand als erster entdeckte, und einer Mutter, die ihr Kind versorgte und dabei den den starken Rauch wahrnahm, aus dem Schlaf gerissen. Ihnen und der Feurwehr, die kurze Zeit später eintraf, ist es zu verdanken, dass niemand zu Tode kam und die Verletzten mit Rauchvergiftungen davonkamen. Der Solinger Oberbürgermeister Kurz zeigte sich bestürzt und erklärte, dass die Überlebenden gut versorgt und untergebracht seien. Tatsächlich sind mindestens zwei betroffene Familien bei Freunden und Angehörigen untergekommen und teilen sich mit bis zu zwanzig Personen einen Raum.

Die Ermittlungen deuten auf eine vorsätzliche Brandlegung unter Verwendung eines Brandbeschleunigers hin", erklärte Patrick Penders, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wuppertal am vergangenen Montag bei einer Pressekonferenz. Der Solinger Oberbürgermeister warnte vor voreiligen Spekulationen. Bewohner*innen des Hauses berichten, dass sie in der Vergangenheit immer wieder Anfeindungen erlebt hätten. Kurz nach dem Anschlag habe der Hauseigentümer den Überlebenden bedeutet: "Geht wieder dahin, wo ihr herkommt!", berichtet die Solinger Sozial- und Kulturwissenschaftlerin Birgül Demirtaş von einem Besuch an der Wittkuller Strasse auf X (vormals Twitter).

Kein Wunder, dass viele Menschen in Solingen verunsichert sind und sich fragen, ob sie nach dem zweiten Brandanschlag innerhalb weniger Monate in der Stadt überhaupt noch sicher sind. Erst im März war bei einem Brandanschlag auf ein Haus in der Grünewalder Straße in Solingen eine bulgarische Familie ermordet worden, darunter zwei Kinder. Bei einer Demonstration wenige Tage später hatten mehrere hundert Menschen, überwiegend aus der türkisch-bulgarischen Community, lautstark Gerechtigkeit gefodert. Auch die Familie Genc, die 1993 fünf Famlilienmitglieder bei dem rassistischen Mordanschlag in der Unteren Werner Straße verloren hat und bis heute für ein würdevolles Gedenken kämpft, hatte zu dem Trauermarsch durch die Solinger Innenstadt aufgerufen.

Ein paar Tage später verhaftete die Polizei einen Nachbarn und erklärte, er habe sich an seinem Vermieter rächen wollen. Aber warum schließen Polizei und Staatsanwaltschaft Rassismus als Motiv aus? Schließlich hat der mutmaßliche Täter bei dem Brand in der Grünewalder Straße zumindest billigend in Kauf genommen, dass seine Nachbarinnen einen qualvollen Tod erleiden, während der Eigentümer, mit dem er sich angeblich im Konflikt befand, unbehelligt blieb und gar nicht dort wohnt.

Die Solinger Polizei hat offensichtlich ein Rassismus-Problem. Statt alle Hinweise und Spuren unvoreingenommen zu verfolgen, geraten nach Angaben von Hausbewohnern nun erneut die Betroffenen ins Visier der Fahnder. Rassismus nicht wahrzunehmen, kleinzureden, zu leugnen und die Betroffenen im Stich zu lassen sind bis heute wesentliche Kennzeichen des institutionellen Rassismus, genauso wie das perfide Narrativ der Opfer-Täter-Umkehr.

Quellen:



Verfasst am Montag, 17. Juni 2024