Am Sonntag 22. Dezember 2024, 15 Uhr
Im Raum für alle, Genovevastr. 94, Köln Mülheim
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Am 22. Dezember 1992 fanden Bewohner*innen eines Hauses in der Platenstraße in Köln-Ehrenfeld ein in Weihnachtspapier eingepacktes Paket vor ihrer Wohnungstür, das an sie persönlich adressiert war. Beim Öffnen explodierte der Zündmechanismus, die entstehende Stichflamme verletzte zwei Personen schwer.
In den Lokalmedien wurde ein rassistisches Motiv thematisiert, insbesondere die Bewohner*innen des Hauses äußerten einen entsprechenden Verdacht, kein Wunder. Seit Anfang der 1980er Jahre kam es in Deutschland verstärkt zu rassistisch motivierten Anschlägen und Tötungsdelikten. Nach den Pogromen im September 1991 in Hoyerswerda gab es auch in NRW eine ganze Serie rassistischer Anschläge, die um den 3. Oktober ihren Höhepunkt erreichte, in Mönchengladbach wurde ein Mann mit türkischer Migrationsgeschichte durch Messerstiche lebensgefährlich verletzt, bei einem Brandanschlag auf eine Unterkunft für Geflüchtete in Hünxe wurden zwei Kinder schwer verletzt. Doch die Kölner Polizei konnte keinerlei Hinweise auf ein rassistisches Motiv erkennen. Keine zwei Monate nach dem Anschlag, ausgerechnet an dem Tag, an dem in benachbarten Bilderstöckchen ein Mitarbeiter der Post bei einer Explosion in seiner Wohnung schwer verletzt wurde, als er einen am Straßenrand gefundenen Winkelschleifer ausprobieren wollte und dieser beim Einstecken des Netzsteckers explodierte, stellte die Staatsanwaltschaft Köln die Ermittlungen ein. Obwohl Polizisten gegenüber der Presse von klaren Tötungsabsichten gesprochen hatten und zwei Menschen in der Platenstraße schwer verletzt wurden, war nur „wegen Verdachts einer schweren Brandstiftung“ ermittelt worden.
Obwohl die Tat nur wenige Wochen nach dem legendären Konzert „Arsch huh – Zäng ussenander!“ mit mehreren Tausend Besucher*innen stattfand und der Kölner Appell gegen Rassismus die Betroffenen beriet und sie von einer bekannten Anwaltskanzlei in Köln vertreten wurden, gerieten sie schnell in Vergessenheit. Erst nach der Selbstenttarnung des NSU und der Einsetzung des NSU-Untersuchungsausschusses im Landtag von NRW nahm die Familie aus der Platenstraße Kontakt zur Opferberatung Rheinland auf und besuchte 2016 die Möllner Rede im Exil in der Kartäuserkirche in Köln. Ermutigt von anderen Betroffenen rassistischer und antisemitischer Gewalt sprechen sie inzwischen auch öffentlich über ihre Geschichte. „Warum wollten die Polizei und die Behörden Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nicht sehen oder thematisieren, obwohl die größten Feinde von Migranten in den frühen 1990er Jahren Mitglieder der extremen Rechten und Rassisten waren und obwohl der rassistische Angriff in Mölln, bei dem Bahide Arslan, Yeliz Arslan und Ayşe Yılmaz starben, nur einen Monat zuvor stattgefunden hatte?“, fragte Fatma Ceylan bei ihrer Rede zur „Möllner Rede im Exil im Schauspiel Köln 2023. „Heute gibt es bei offiziellen Stellen keine Informationen, keine Akten über diesen Vorfall, und der Drohbrief, den wir kurz nach der Tat erhielten, ist ebenfalls verschwunden. Es ist, als ob dieser rassistische Angriff, unser Schmerz und unsere Angst nie stattgefunden hätten“, sagt Fatma Ceylan.
Der bis heute nicht aufgeklärte Anschlag in Köln-Ehrenfeld fand wenige Wochen nach dem verheerenden Brandanschlag in Mölln statt, bei dem Bahide Arslan, Ayşe Yılmaz und Yeliz Arslan ermordet wurden. Wir freuen uns sehr, dass auch İbrahim Arslan, der den Mordanschlag in Mölln überlebte und unermüdlich für Anerkennung, Aufklärung und Konsequenzen kämpft, bei der Veranstaltung in Erinnerung an den Anschlag in der Platenstraße 1992 sprechen wird.
Initiative Herkesin Meydanı – Platz für alle