Das Recht auf Anerkennung, Aufklärung und Gerechtigkeit für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt ist und bleibt unverhandelbar!
Nach der Selbstenttarnung des NSU in Deutschland ist ein Aufschrei durch die Öffentlickeit gegangen. Wie konnte eine rechtsterroristische Vereinigung über Jahre hinweg eine Mordserie an Migrant*innen in Deutschland begehen, ohne von den Ermittlungs- und Sicherheitskräften aufgedeckt zu werden? Warum wurden stattdessen Opfer und Angehörige jahrelang kriminalisiert, allein gelassen und traumatisiert? Bis heute schulden Justiz und Politik den zahlreichen Angehörigen der NSU-Opfer eine allumfassende Aufklärung! Weiterhin fehlt es ihnen an Bereitschaft, die Konsequenzen aus strukturellem Versagen, dem institutionellen Unwillen, die Verwicklungen von Sicherheitsbehörden und vor allem die rassistische, rechte und antisemitische Gewalt innerhalb von Ermittlungsbehörden zu ziehen.
Die Absicht von Innenminister Reul mit der ToReG-Forschung beim LKA in NRW dem jahrelangen Druck aus der Zivilgesellschaft nachzukommen und 30 Verdachtsfälle rechter und rassistischer Gewalt zu untersuchen, ist bei den bis heute schwer traumatisierten Betroffenen und Überlebenden und in der Zivilgesellschaft positiv aufgenommen worden. Vor allem die Betroffenen haben sich erhofft, durch eine öffentliche und seriöse Auseinandersetzung endlich die Anerkennung der verantwortlichen Behörden zu erhalten, das ein deutliches Zeichen gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus wäre und ihnen wieder ein Gefühl von Sicherheit vermitteln könnte.
Das ist leider ausgeblieben! Stattdessen hat das LKA wiederholt zur sekundären Viktimisierung von Betroffenen beigetragen. Die Studie war von Anfang an ohne die Einbeziehung unabhängiger professioneller Forschungsstellen in einer Selbstschau innerhalb des LKA betrieben worden. Bis heute ist nicht bekannt, wer an der Untersuchung mitgewirkt hat. Eine Untersuchung hätte aber dringend politisch unabhängig unter fachlicher Expertise erfolgen müssen. Einige Fälle wurden mit der Begründung „keine Akteneinsicht“ gar nicht erst untersucht. Zudem wurden lediglich die Urteile überprüft und keine anderen Dokumente gesichtet oder neuen Ermittlungen angestellt, geschweige denn die Betroffenen sowie weitere Beteiligte und Zeug*innen angehört. Viele Betroffene sind über die Ergebnisse der Studie nicht informiert worden, bzw. haben von den Studienergebnissen über die Medien oder über ihre eigenen Netzwerke erfahren..
„Die gravierende Erfassungs- und Anerkennungslücke beim realen Ausmaß politisch rechts motivierter Tötungsdelikte seit 1990 verringert sich auch nach dem Ergebnisbericht des Forschungsprojekts ToReG des Innenministeriums und LKA NRW nur unwesentlich“, stellt der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V. (VBRG) fest. Während der VBRG und Journalist*innen für den Zeitraum zwischen 1990 bis 2023 von mindestens 195 Tötungsdelikten mit rechten, rassistischen und antisemitischen Tatmotivation sowie von mindestens 65 Verdachtsfällen ausgehen, hat das Bundeskriminalamt lediglich 115 Tötungsdelikte dem PMK-rechts zugordnet. Das LKA NRW hat nur sieben der 30 sogenannten „Altfälle und Verdachtsfälle“ neu bewertet. Nicht nachvollziehbar ist für den VBRG außerdem, warum der Mord am 14. Juni 2000 in Dortmund-Waltrop an den drei Polizeibeamt*innen Thomas Goretzky, Yvonne Hachkämper und Matthias Larisch von Woitowitz durch den bekennenden Neonazi Michael Berger nicht als politisch rechts motiviert anerkannt wurde .
Überlebende und Hinterbliebene der nach Abschluss von ToReG nicht anerkannten rassistisch motivierten Brandanschläge in Duisburg 1984, in Köln-Ehrenfeld 1992, Paderborn 1994 und in Köln-Gremberg 1994 kritisieren die Studie deshalb scharf. „Die Fehler, die in der Vergangenheit gemacht wurden, werden immer noch fortgesetzt, und es werden voreingenommene Entscheidungen getroffen, die das Ergebnis einer intransparenten Forschung sind“, meinen Suat und Remziye Akkuş aus Duisburg: „Das ist für uns keine Gerechtigkeit, sondern Quälerei. Das Verhalten Deutschlands erinnert beinahe an die 1940er Jahre. Es hat sich in den Köpfen noch nicht viel geändert. Wir wünschen uns, dass sie diese Methoden aufgeben. Andernfalls wird Deutschland das Image eines rassistischen Staates nicht los, und es ist offensichtlich, dass dies nicht zum Frieden für alle in Deutschland lebenden Gemeinschaften beitragen wird. Es wird nichts als Schaden anrichten."
Im Duisburger Fall, auf den wir uns hier beziehen, wurde eine Täterin wegen der Brandstiftung 1984 auf das Wohnhaus in der Wanheimerstraße 301 und auf die Geflüchtetenunterkunft im Duisburger Norden 1993 angeklagt. Verurteilt wurde sie 1996 vom Landgericht Duisburg wegen schwerer Brandstiftung für den Anschlag1984 und für den Anschlag 1993wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung. Rassismus oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit spielte bei der Verurteilung keine Rolle. Die Frage lautet deshalb auch heute noch, warum das Motiv "Rassismus" nicht umfassend und konsequent überprüft wurde, wenn Unterkünfte von Migrant*innen und Asylsuchenden in Brand gesteckt werden. Der Vertreter der Nebenklage, RA Adnan Menderes, erinnert sich noch gut daran, dass der Vorsitzende Richter seinen Wunsch, die zuvor an der Hauseingangstür gesichteten Hakenkreuze zu untersuchen, zurückwies. Schließt der Umstand, dass die Täterin keine rassistischen Motive genannt hat, einen rassistischen Hintergrund der Taten aus? Schließlich gab es in den „Baseballschlägerjahren“ nach dem Mauerfall zahlreiche rassistische Anschläge und unmittelbar vor der Tat beobachtete Hakenkreuz-Schmierereien am Gebäude sowie nach der Tatrassistischen Bedrohungen gegenüber Nachbarn, die ihre Solidarität mit den Opfern nach der Brandstiftung bekundeten. Diese konkreten Indizien und eine Analyse des aufgeheizten Migrationsdiskurses der 1980er-Jahre (speziell in Duisburg und im Ruhrgebiet) und die hohe Zahl der Brandanschläge auf Geflüchtetenunterkünfte nach der Wende offenbaren eindeutig rassistische und migrationsfeindliche Strukturen, in denen die Brandstiftungen von 1984 und1993 stattfanden. Allein der Umstand, dass sich der Frust der psychisch labilen Täterin über mangelnde Selbstwirksamkeit ausgerechnet gegen vulnerable und diskriminierte Gruppen der Gesellschaft richtete, ist ein deutlicher Hinweis, dass Rassismus eine Rolle gespielt hat.
Der zweite Fall, auf den wir uns beziehen, der Paketbombenanschlag vom 22. Dezember 1992 in der Kölner Platenstraße, wurde erst gar nicht untersucht, obwohl die Betroffen seit zwei Jahren immer wieder öffentlich auf den rassistischen Hintergrund der Tat aufmerksam machen. Die Betroffenen in Köln fanden ein in Weihnachtspapier eingepacktes Paket vor ihrer Wohnungstür, das an sie persönlich adressiert war. Beim Öffnen explodierte der Zündmechanismus, die entstehende Stichflamme verletzte zwei Personen schwer. In den Lokalmedien wurde ein rassistisches Motiv thematisiert, insbesondere die Bewohnerinnen des Hauses äußerten einen entsprechenden Verdacht. Doch die Kölner Polizei wollte keinerlei Hinweise auf ein rassistisches Motiv erkennen. Keine zwei Monate nach diesem Anschlag, stellte die Staatsanwaltschaft in Köln die Ermittlungen ein - ausgerechnet an dem Tag, an dem im benachbarten Bilderstöckchen ein Mitarbeiter der Post bei einer Explosion in seiner Wohnung schwer verletzt wurde, weil der Netzstecker eines am Straßenrand gefundenen Winkelschleifers explodierte. Obwohl Polizisten gegenüber der Presse von klaren Tötungsabsichten gesprochen hatten und zwei Menschen in der Platenstraße schwer verletzt wurden, wurde nicht wegen „versuchten Mordes“ ermittelt, sondern nur „wegen Verdachts einer schweren Brandstiftung“. Dabei fand die Tat nur wenige Wochen nach dem legendären Konzert „Arsch huh – Zäng ussenander!“ mit mehreren Tausend Besucherinnen statt, der "Kölner Appell gegen Rassismus" beriet die Betroffenen und sie wurden von einer bekannten Anwaltskanzlei in Köln vertreten, dennoch gerieten sie schnell in Vergessenheit.
Sowohl in Duisburg als auch in Köln fanden die Betroffenen erst viele Jahre nach der Gewalterfahrung die Kraft und den Mut, sich mit Unterstützung von Initiativen in der Öffentlichkeit zu zeigen, Rassismus anzuklagen und Gerechtigkeit zu fordern. Die Familie Ceylan aus der Platenstraße nahm nach der Selbstenttarnung des NSU und der Einsetzung des NSU-Untersuchungsausschuss im NRW-Landtag Kontakt zur Opferberatung Rheinland auf und besuchte 2016 die Möllner Rede im Exil in der Kölner Kartäuserkirche. In Duisburg setzte sich die Initiative Duisburg 1984 seit 2018 gemeinsam mit Betroffenen für die Aufklärung des Brandanschlags von 1984 ein. Ermutigt von anderen Betroffenen rassistischer und antisemitischer Gewalt sprechen sowohl die Duisburger als auch die Kölner Betroffenen nun öffentlich über ihre Geschichte: „Warum wollten die Polizei und die Behörden Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nicht sehen oder thematisieren, obwohl die größten Feinde von Migranten in den frühen 1980er und 1990er Jahren Mitglieder der extremen Rechten und Rassisten waren", fragt Fatma Ceylan. „Heute gibt es bei offiziellen Stellen keine Informationen, keine Akten über den Anschlag und der Drohbrief, den wir kurz nach der Tat erhielten, ist ebenfalls verschwunden. Es ist, als ob dieser rassistische Angriff, unser Schmerz und unsere Angst nie stattgefunden hätten.“
Die Betroffenen, Angehörige und Überlebenden fühlen sich auch nach dieser Studie des LKA NRW darin bestärkt, ihre jahrelangen Kämpfe für Erinnerung, Gerechtigkeit und Aufklärung weiterhin selbst zu führen, denn auf Polizei und Justiz ist kein Verlass, solange sie nicht erkennen, dass sie ein Rassismus-Problem haben!
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