Demonstation & Kundgebung in Duisburg 40 Jahre nach dem rassistischen Brandanschlag 1984

Die Überlebenden des rassistischen Brandanschlags in Duisburg 1984 rufen gemeinsam mit Betroffenen rassistischer Gewalt und Initiativen zu der Demonstration und Kundgebnung auf, am Montag, 26. August, 17 Uhr, Kranichstr. 21, Duisburg

In der Nacht vom 26. auf den 27. August 1984 brannte das Wohnhaus in der Wanheimer Straße 301 in Duisburg-Wanheimerort. In dem Altbau wohnten ausschließlich Arbeitsmigrant:innen, sogenannte Gastarbeiter:innen, aus der Türkei und Jugoslawien mit ihren Familien. Das Feuer war kurz vor Mitternacht im Hausflur des Erdgeschosses ausgebrochen. In Windeseile verbreite es sich im ganzen Haus. Die Bewohner:innen waren vom einzigen Fluchtweg innerhalb weniger Minuten abgeschnitten. 57 Hausbewohner:innen wurden von den Flammen im Schlaf überrascht und versuchten zum Teil auf dramatische Weise, dem Feuer zu entkommen.

Im 2. Obergeschoss des Hauses wohnte Familie Satır.  Die Schwestern Rukiye und Aynur Satır konnten sich - wie durch ein Wunder – schwerverletzt mit einem Sprung aus dem Fenster retten. Für sieben ihrer Angehörigen kam jede Hilfe zu spät: Ferdane Satır (40 Jahre), Zeliha Turhan (18 Jahre), Rasmin Turhan (18 Jahre), Songül Satı (4 Jahre), Ümit Satır (5 Jahre), Çiğdem Satır (7 Jahre), Tarık Turhan (1 Monat).

Nach dem Brand begannen Brandsachverständige und Ermittler in den Trümmern nach der Ursache zu suchen. War es ein Unfall? War es Brandstiftung? Zwei Tage später berichtete die Frankfurter Rundschau, dass laut Staatsanwaltschaft über die Ursache des Feuers noch Unklarheit bestehe, Brandstiftung jedoch „so gut wie sicher“ ausgeschlossen werden könne. In der Woche darauf berichtete der Stern, dass bis vor zwei Monatenan den Fabrikmauern längs der Wanheimer Straße noch Hetzparolen wie 'Türken Raus' zu lesen gewesen seien. Der Spiegel erwähnt in einem Bericht über rechte, rassistische Gewaltf im Oktober 1984 die Hakenkreuze an der Hauseingangstür am Tatort.

Auch aus der Zivilgesellschaft in Duisburg wurden Stimmen laut, die als Motiv beim Brandanschlag auf Rassismus hinwiesen. Am 11. Oktober 1984 fand auch in Duisburg der bundesweit organisierte „Marsch gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit“ statt. Die Demonstrant:innen protestierten gegen die Rückkehrpolitik der Bundesregierung und gegen „Ausländer Raus-Parolen“. Eine Bürger:inneninitiative forderte die die Ermittlungsbehörden und Oberbürgermeister Krings öffentlich auf, das Motiv „Ausländerfeindlichkeit“ zu überprüfen. Sie hätten in jüngster Zeit Bedrohungen von rechten Gruppen dokumentiert, Aufkleber mit „Ausländer-Raus“-Parolen und Hakenkreuz- Schmierereien an der Wand des abgebrannten Hauses gesichtet und es hätte konkrete Drohungen gegen Migrant:innen gegeben. Die dpa hatte am 3. September 1984 berichtet, die Staatsanwaltschaft habe erklärt, dass es keine konkreten Anhaltspunkte auf mögliche Täter gebe. „Ausgeschlossen sei aber, dass der Brand aufgrund von Ausländerfeindlichkeit gelegt worden sei."

Tatsächlich haben die Ermittlungsbehörden den Täter für längerer Zeit ausschließlich im Umfeld ehemaliger Bewohner des Hauses gesucht, heißt es in einem Bericht des Berliner Rechtsanwalts Lukas Bastisch, den er im Auftrag der Überlebenden Aynur Satır erstellte. "Auch das später in dieser Sache gefällte Urteil lässt eine eingehende Auseinandersetzung mit einer rassistischen Tatmotivation vermissen, obwohl es hierfür Anhaltspunkte gegeben hat. Das Ziel des Brandanschlags – ein Haus mit migrantischen Bewohner*innen in einem migrantischen Stadtteil – wurde als solches weder durch die Ermittlungsbehörden noch durch das Gericht erkannt." Ein Bewohner des Wohnhauses saß 1991 sechs Monate in Untersuchungshaft, weil er fälschlicherweise verdächtigt wurde, den Brand gelegt zu haben. Drei Jahre später kündigte Evelin D. aus der Justizvollzugsanstalt in Mülheim in einem handschriftlich Brief an die Polizei ein Geständnis an und gab bei einer Vernehmung tatsächlich zu, 1984 den Brand in der Wanheimer Straße 301 und einen weiteren, ebenfalls nicht aufgeklärten Brandanschlag, im Januar 1993 in einem Geflüchtetenwohnheim in der Duisburger Straße in Duisburg-Hamborn gelegt zu haben. Wie durch ein Wunder starb dabei niemand in dem Geflüchtetenwohnheim. Im Urteil des Landgerichts Duisburg vom Dezember 1996 wurde Rassismus als Motiv nicht näher untersucht und so blieb die Frage unbeantwortet, warum die Täterin in einer Zeit, in der Hetze und Gewalt gegen Migrant:innen Hochkunjunktur hatten, Unterkünfte von Menschen, die von Rassismus, Ausgrenzung und Marginalisierung betroffen sind. Bei der Täterin wurde Pyromanie diagnostiziert, aufgrund eines forensischen Gutachtens verurteilt und in einer forensischen Psychiatrie untergebracht, wo sie später starb. 

Sowohl von den Überlebenden und Angehörigen als auch von den Duisburger migrantisierten Communities wurde diese frühzeitige Festlegung der Politik und der Ermittlungsbehörden als entwürdigend empfunden. Gleichzeitig hatte diese Ermittlungsrichtung Konsequenzen: Einige fühlten sich im Nachhinein verängstigt, Rassismus anzuklagen, und somit auch die Entscheidungen von Politik, Polizei und Staatsanwaltschaft in Frage zu stellen. 

Erst 2018 wurde der rassistische Hintergrund des Verbrechens durch die Initiative Duisburg 1984 publik. Die Überlebenden des Brandes in Duisburg-Wanheimer Ort kämpfen 40 Jahre nach der Tat gemeinsam mit anderen Betroffenen rassistischer und antisemitischer Gewalt für Erinnerung und fordern Aufklärung, Gerechtigkeit, Konsequenzen und Entschädigung.

Quellen:



Verfasst am Sonntag, 04. August 2024