Nach der Selbstenttarnung des NSU Ende 2011 wurde in Köln erstmals die Forderung nach einem Gedenkort in direkter Nachbarschaft zur Keupstraße laut. Im Dezember 2015 beschloss der Rat der Stadt, „in der Keupstraße beziehungsweise in ihrer unmittelbaren Nähe ein Denkmal zu errichten" und lobte ein künstlerisches Wettbewerbsverfahren für ein Mahnmal aus, das an den Nagelbombenanschlag 2004 in der Keupstraße und an den Anschlag in der Probsteigasse 2001 erinnern soll. 2016 wurde von einer Jury, in der auch Betroffene vertreten waren, der Mahnmalentwurf des Berliner Künstlers Ulf Aminde einstimmig beschlossen – Ein Virtual Reality Archive an einem öffentlichen Platz an der Ecke Keupstraße/Schanzenstraße.
Die Realisierung wurde in den darauffolgenden Jahren dann von der Stadt und den ehemaligen Investoren auf dem Grundstück ignoriert und verschleppt – bis die Betroffenen zu den Schuldigen für die Verzögerung gemacht wurden mit ihrem Beharren auf den eben diesen einstimmig kuratierten Standort. Ende 2020 wechselte das Gelände die Eigentümer und gehört nun dem Immobilieninvestor Gentes. Nach zwei Jahren enormen aktivistischem Druck wurde dann im November 2021 endlich ein Ratsbeschluss gefällt, der einiges erreicht hat – aber eben auch nur einiges.
Erreicht wurde, dass in der Probsteigasse endlich eine würdige Gedenktafel realisiert wurde, die mit etwas aktivistischer Nachhilfe sogar einen aussagekräftigen Text und Aussagen der Betroffenen selbst beinhaltet und in einem gestalterischen Wettbewerb von der Stadt Köln ausgelobt und realisiert wurde.
Erreicht wurde, dass der neue Investor des Geländes an der Keupstraße der Stadt unentgeltlich den Platz für das Mahnmal zur Verfügung stellt. In diesem Deal hat die Stadt jedoch wieder alle Verantwortung für die baldige Realisierung des Mahnmals aus der Hand gegeben, was sich nun – weitere drei Jahre später zeigt. Der Mahnmalplatz dient vor Übergang an die Stadt dem Investor als Baustellenfläche – konkret heißt das, dass das Mahnmal erst gebaut wird, wenn der Investor mit seinen Gebäuden fertig ist.
Trotz Versprechungen seitens der Stadtverwaltung und des Investors in Vorgesprächen gab es zu keinem Zeitpunkt proaktive Informationen über den Bauantrag, den Zeitplan, über die dem Mahnmal angrenzenden Nutzungen, keinen Workshop zur Vereinbarung von Platzgestaltung und Bauvorhaben, keine Infos an die Betroffenen und Initiativen oder den Künstler.
Eine Anfrage Anfang letzten Jahres an die Stadtverwaltung besagte folgendes: Angeblich wäre der Bauantrag bald genehmigt, angeblich hat der Investor Interesse dann zügig zu bauen – aber es folgt ein langer Absatz über die Krise der Bauwirtschaft – und dass die Stadt hierauf eben keinen Einfluss mehr hat und somit auch nicht mehr auf den Zeitpunkt der Realisierung des Mahnmals. All das war mit dem Deal abzusehen, wenn ein Mahnmal zeitlich hinten angestellt wird, anstatt kommunale Wege zu suchen nicht nur das Mahnmal, sondern auch die Umgebung der Keupstraße durch die Stadt selbst steuern zu können.
Die Investoren Gentes werben derweil auf ihrer Homepage zu dem Projekt wie folgt „Wohnen, Arbeiten – Gedenken - ein Projekt mit Verantwortung, entwickelt im Dialog und mit Respekt. Im Spiegel der Symbolkraft des Ortes, gewachsen am Diskurs mit der Nachbarschaft. Das Ziel: Ein Quartier mit Vergangenheit und Zukunft. Synergien aus Erinnerung, Kultur, Medien und Diversität. Geprägt von Urbanität und Miteinander.“ Höhepunkt dieser dreisten Vereinnahmung nach jahrelanger Ignoranz statt Dialog war sicherlich die Hängung des riesigen Werbebanners neben der „Bundespräsidentenbühne“ am 20. Jahrestag letzten Juni in der Keupstraße.
Während also weiterhin Stadt und Investorengruppe bei Anfragen immer auf die anderen verweisen – angeblich laufen derzeit rechtliche Klagen zur Baugenehmigung – ist der inhaltliche und digitale Teil des Mahnmals in den letzten Jahren gewachsen und stets weiter entwickelt worden. Es gibt ein aktives Kuratorium und viele richtig gute Prozesse, die die Geschichte der Anschläge zeigen und sichtbar machen.
Wir wollen das Mahnmal – wir wollen an der Keupstraße aktiv gedenken mit Veranstaltungen, Filmen, Archiven und wir werden in den nächsten Wochen und Monaten hier Druck machen. Wir fordern Klarheit über die Planungszeiträume und eine baldige Nutzung des Mahnmalgeländes. Denn gerade jetzt ist doch klar, wie wichtig Gedenken ist.
Der NSU bildete sich in den 90er-Jahren, die von „Das-Boot-ist-voll-Debatten“ und der faktischen Abschaffung des Asylrechts geprägt waren. In diesem politischen Klima fühlten sich bundesweit Nazis ermächtigt Migrant*innen anzugreifen und zu ermorden. Heute gehört rassistische Hetze wieder zum Tagesgeschäft im politischen Betrieb. Wer Migration zu einem Problem unserer Gesellschaft macht, trägt Verantwortung für die Angriffe, die folgen. Rassismus spaltet, verletzt und tötet. Dem müssen wir uns mit Allem entgegenstellen. Mahnmal Keupstraße jetzt!
Initiative Herkesin Meydani, 19. Januar 2025, am 24. Jahrestag des rassistischen Terroranschlags in der Probsteigasse