Rassismus tötet - die Polizei schaut weg

Im Prozess um den Brandanschlag von Solingem 2024, bei dem eine vierköpige bulgarische Familie starb, taucht eine Festplatte mit Nazipropaganda auf

Rassismus tötet - die Polizei schaut weg
Trauerzug vor dem ausgebrannten Haus im März 2024 in Solingen. Foto: Sebastian Weiermann

Kurz nach dem Brand in dem Mehrfamilienhaus im Solinger Stadtteil Grünewald, bei dem Kancho und Katya Zhilova und ihre kleinen Töchter Galia und Emily starben und andere Hausbewohner*innen zum Teil lebensgefährliche Verletzungen erlitten, schlossen die Ermittler Rassismus als Motiv aus, vorschnell wie sich jetzt vor Gericht herausstellt.

Die Nebenklagevertretein Seda Başay-Yıldız hatte im Prozess die Sichtung der Daten einer Festplatte erzwungen, die bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten beschlagnahmt, von der Polizei aber nicht ausgewertet worden war. 166 Bilder, die am letzten Prozesstag gezeigt wurden, werfen ein ganz anderes Bild auf das Motiv des Angeklagten, der behauptet hatte aus Rache gegenüber der Vermieterin das Haus angesteckt zu haben. Doch warum setzt jemand ein Wohnhaus in Brand, in dem zahlreiche Menschen leben, wenn er Streit mit der Vermieterin hat und warum schließen die Behörden ein rassistisches Motiv aus und sprechen von einer Tat „im zwischenmenschlichen Bereich“, obwohl die Bewoher*nnen allesamt Einwanderer sind, hatten wir im letzten Jahr gefragt. Die Bilder, die nun im Prozess gezeigt wurden, enthalten eindeutig Nazi-Propaganda. Die Darstellungen sind es nicht wert hier genauer beschrieben zu werden.

Hunderte Menschen, vor allem aus der türkisch-bulgarischen Community, waren nach dem Anschlag zu einem Trauermarsch zusammengekommen und hatten lautstark Gerechtigkeit gefordert. Auch Mitglieder der Familie Genc, die 1993 bei einem rassistischen Anschlag fünf Angehörige verloren und seitdem unermüdlich für politische Konsequenzen und ein würdiges Gedenken kämpfen, der Antiziganismusbeauftragte der Bundesregierung, Mehmet Daimagüler, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose und die Rechtsanwältin Seda Başay-Yildiz, die auch Nebenklagevertreterin der Familie von Enver Şimşek im NSU-Prozess war und vom so genannten NSU 2.0 selbst mit dem Tod bedroht wird, hatten an der Demo teilgenommen. Ihr Verdacht, das Motiv für den Brandanschlag könne Rassismus sein und die Ermittler*innen schauen wieder einmal nicht so genau hin, hat sich wiedereinmal bestätigt.

Gegenüber nd-aktuell sagte Başay-Yıldız, dass es »nicht nachvollziehbar« sei, dass die Datenträger nicht selbstständig von den Ermittler*innen ausgewertet wurden. »Obwohl die Motivlage des Angeklagten unklar war, hat man sich wenig bis gar keine Mühe gemacht, um zu ermitteln, ob vielleicht ein politisches Motiv infrage kommt. Es ist beschämend«, so Başay-Yıldız. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt. Die Nebenklagevertreterin wird eine erneute Vernehmung der Lebensgefährtin des Angeklagten beantragen, die den Computer gemeinsam mit dem Angeklagten genutzt hatte. Nun soll geklärt werden, von wem die Nazi-Propaganda stammt.

Am 25. März jährt sich der Brandanschlag zum ersten Mal. Wir fordern Gerechtigkeit, Aufklärung und Konsequenzen. Kommt zum Gedenken nach Solingen und achtet auf Ankündigungen.



Verfasst am Mittwoch, 12. März 2025