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Anerkennung, Aufklärung, Konsequenzen

Veranstaltung in Erinnerung an den rassistischen Bombenanschlag 1992 in Köln-Ehrenfeld

Freitag, 22.12.2023 19:00 Uhr Raum für alle, Genovevastr. 94, Köln

Am 22. Dezember 1992 fanden Bewohnerinnen eines Hauses in der Platenstraße in Köln-Ehrenfeld ein in Weihnachtspapier eingepacktes Paket vor ihrer Wohnungstür, das an sie persönlich adressiert war. Beim Öffnen explodierte der Zündmechanismus, die entstehende Stichflamme verletzte zwei Personen schwer. Wäre die gesamte Sprengladung explodiert, hätte es Tote geben können, konstatierten die Ermittlerinnen.

In den Lokalmedien wurde von einem rassistischen Motiv gesprochen, insbesondere die Bewohnerinnen des Hauses äußerten den Verdacht. Tatsächlich kam es seit Anfang der 1980er Jahre in Deutschland verstärkt zu rassistischen Anschlägen und Morden. Nach dem Pogrom im September 1991 in Hoyerswerda gab es auch in NRW eine ganze Serie rassistischer Angriffe, die um den 3. Oktober ihren ersten Höhepunkt erreichte: In Mönchengladbach wurde ein Mann mit türkischer Migrationsgeschichte durch Messerstiche lebensgefährlich verletzt und bei einem Brandanschlag auf eine Unterkunft für Geflüchtete in Hünxe wurden zwei libanesische Kinder schwer verletzt. Doch die Kölner Polizei konnte keinerlei Hinweise auf ein rassistisches Motiv erkennen. Keine zwei Monate nach dem Anschlag in der Platenstraße, ausgerechnet an dem Tag, an dem im benachbarten Bilderstöckchen ein Mitarbeiter der Post bei einer Explosion in seiner Wohnung schwer verletzt wurde, als er einen am Straßenrand gefundenen Winkelschleifer ausprobieren wollte und dieser beim Einstecken des Netzsteckers explodierte, stellte die Staatsanwaltschaft Köln die Ermittlungen „wegen Verdachts einer schweren Brandstiftung“ ein. Dabei hätte es nahe gelegen wegen versuchten Mordes weiter nach den Täterinnen zu fahnden, schließlich hatten Polizist*innen gegenüber der Presse von klaren Tötungsabsichten gesprochen. Die Familie fühlte sich seitdem in Köln nicht mehr sicher. Obwohl die Tat nur wenige Wochen nach dem legendären Konzert „Arsch huh – Zäng ussenander!“ mit mehreren Tausend Menschen stattfand und der Kölner Appell gegen Rassismus die Betroffenen beriet und sie von einer bekannten Anwaltskanzlei in Köln vertreten wurden, gerieten sie in Vergessenheit.

Erst nach der Selbstenttarnung des NSU und der Einsetzung des NSU-Untersuchungsausschusses im Landtag NRW 2014 nahm die Familie Kontakt zur Opferberatung Rheinland auf. 2016 besuchte sie die „Möllner Rede im Exil“ in der Kartäuserkirche. Ermutigt von anderen Betroffenen rassistischer und antisemitischer Gewalt spricht die Familie inzwischen auch öffentlich über ihre Geschichte. „Warum wollten die Polizei und die Behörden Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nicht sehen oder thematisieren, obwohl die größten Feinde von Migranten in den frühen 1990er Jahren Mitglieder der extremen Rechten und Rassisten waren und obwohl der rassistische Angriff in Mölln, bei dem Bahide Arslan, Yeliz Arslan und Ayşe Yılmaz starben, nur einen Monat zuvor stattgefunden hatte?“, fragte Fatma Ceylan kürzlich bei der „Möllner Rede im Exil" im Schauspiel Köln. „Heute gibt es bei offiziellen Stellen keine Informationen, keine Akten über diesen Fall und der Drohbrief, den wir kurz nach der Tat erhielten, ist verschwunden. Es ist, als ob es diesen rassistischen Angriff, unseren Schmerz und unsere Angst nie gegeben hätte“, sagt sie.

Bei der Gedenkveranstaltung wollen wir mehr über die Geschichte der Familie und ihre Forderungen nach Anerkennung, Aufklärung und Konsequenzen erfahren und gemeinsam über Möglichkeiten der Unterstützung nachdenken.