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Streik-Revue 73/93/23

Wilder Streik! Hungerstreik! Megastreik! Über getrenntes Erinnern und gemeinsame Erfahrungen

Freitag, 15.12.2023 19:00 Uhr Raum für alle, Genovevastr. 94, Köln

Wenn wir etwas Revue passieren lassen, dann lassen wir es in Gedanken noch einmal an uns vorbeiziehen. Wir erinnern uns intensiv. Ein solches intensives Erinnern wollen wir mit dem Projekt «Streikrevue 73/93/23» initiieren. Zwei Streik-Jubiläen, aber zwei weitgehend getrennte Gedenken: Sowohl die migrantischen Streiks in der BRD im Jahre 1973 als auch die Kämpfe ostdeutscher Arbeiter*innen von 1993 jährten sich im Sommer 2023. Erinnert wurde auf ganz verschiedene Weise und ohne offensichtlich wechselseitigen Bezug. Genau das wollen wir mit diesem Projekt thematisieren: Haben diese Streiks etwas miteinander zu tun, außer, dass es sich um Auseinandersetzungen zwischen Kapital und Arbeit handelt? Welche Gruppen haben hier gekämpft, was sind Unterschiede, was sind Ähnlichkeiten, was sind Kontinuitäten? Welche Bezüge lassen sich zwischen den Streikjahren 1973/1993/2023 herstellen und was bedeuten solche Bezüge politisch in der Gegenwart?

Lasst uns, so die Idee, diese beiden Jubiläen zusammenbringen und in Bezug zur Gegenwart setzen. Lasst uns nach möglichen Verbindungslinien fragen: Zwischen dem wilden Streik bei Ford, Pierburg und vielen weiteren Betrieben 1973, dem Hungerstreik in Bischofferode 1993 als Symbol für die Kämpfe ostdeutscher Arbeiter*innen nach der Wende, und dem Megastreik 2023 als Ausdruck neuer Arbeitskämpfe in Verkehr, öffentlichem Dienst, Pflege, Service, Gig-Economy, Logistik und Industrie in unserer durch multiple Krisen gekennzeichneten Gegenwart.

Die Ford- und Pierburg-Streiks von 1973 und der Hungerstreik der Kali-Bergkumpel in Bischofferode 1993 stehen symbolisch für Konjunkturen besonders intensiver Auseinandersetzungen zwischen Kapital und Arbeit. 1973 endeten mit Ölkrise, Rezession und Anwerbestopp die Zeit des sozialdemokratisch geprägten Klassenkompromisses, das Regime des Fordismus und die klassische Gastarbeiterära. In diese Zeit fielen heftige Arbeitskämpfe in ganz Deutschland und Europa. 1993 schlugen in Ostdeutschland die ökonomischen und sozialen Folgen der deutschen Vereinigung voll durch. Die Privatisierung der ostdeutschen Industrie und Abwicklung zahlreicher Betriebe durch die Treuhand führte zu massiver Arbeitslosigkeit. Auch hier drückte sich Widerstand in einer Welle heftiger und ausdauernder Streiks und Proteste aus. 2023 befinden wir uns, nach der Corona-Krise, mutmaßlich in einer erneuten Phase der Stagflation und erleben eine Welle neu aufflammender Streikbewegungen: in der Pflege, den Krankenhäusern, der Gig-Economy, im Service, der Logistik, im öffentlichen Dienst, in der Industrie.