"Die Möllner Briefe" räumen zwei renommierte Film-Preise auf der Berlinale ab

Der Film von Martina Priessner über die Briefe, die hunderte Menschen nach dem rassistischen Brandanschlag von 1992 als Zeichen der Solidarität den Überlebenden schrieben und die nie ankamen, überzeugte das Publikum der Berlinale und die Amnesty-Jury

„Ich bin überwältigt von der Solidarität, die nach der Premiere des Films in Berlin zu spüren war und unser Kampf für Erinnerung, Aufklärung und Konsequenzen gerade jetzt gewürdigt wird, wo die Empathielosigkeit regiert und führende Politiker von CDU/CSU/FDP/BSW zur Normalisierung des Faschismus beitragen“, sagt Ibrahim Arslan, der die Brandnacht von Mölln 1992 überlebte.

Die Amnesty-Jury begründet ihre Entscheidung wie folgt: „Mit den klassischen Mitteln des Dokumentarfilms entfaltet der Film über diese besondere Geschichte eine enorme Wirkung. Die künstlerische Entscheidung, die Briefe einzublenden und teils von den Briefeschreiber*innen vorlesen zu lassen, setzt eine große erzählerische Kraft frei: selbstgemalte Bilder von Kindern, Gedichte und der Satz "Ich schäme mich, eine Deutsche zu sein" – all das berührt. Die empathische Sprache der Briefe im Kontrast zu den gewaltvollen Anschlägen fällt auf, wenn von "Mitmenschen" oder "Mitbürgern", von "Miteinander" geschrieben wird, statt von "Migranten".

Der Film zeigt aber auch in radikaler Härte die familiäre Last, das transgenerationelle Trauma der betroffenen Familien. Er zeigt auf, was der Anschlag der Familie über Generationen angetan hat. Die vorenthaltenen Briefe wirken wie eine zweite Tat. Es hätte das Leid der Familie gelindert, wenn sie von der Solidarität gewusst hätte.

Der Film zeigt wie als kaltes Spiegelbild die Empathielosigkeit der Politiker*innen und Angestellten der Stadt Mölln, die der Familie die Briefe nicht weitergeleitet und ihnen so die Anteilnahme verwehrt haben. Das wirkt sich fort bis zum heutigen Tag: So sehen wir den heute politisch Verantwortlichen dabei zu, wie sie mit ihrer von Floskeln geprägten Sprache die Verantwortung weiter von sich weisen. Sie bleiben den Betroffenen bis heute eine Antwort auf das "Warum" schuldig.

Der Film gewinnt den Amnesty-Filmpreis, weil er zeigt, was Menschlichkeit in dunklen Zeiten bewirken kann. In der heutigen Welt, in der sich Viele so hilflos fühlen, zeigt er auf, wie eine ganz kleine Geste – das Briefeschreiben – bei den Betroffenen Großes bewirken kann.“

Der Panorama Publikums-Preis der Berlinale wird seit 1999 verliehen. Seit 2011 wird sowohl der beste Spielfilm als auch der beste Dokumentarfilm geehrt. Während der Berlinale werden alle Kinobesucher*innen aufgerufen, per Stimmkarte die Filme der Sektion Panorama zu bewerten. Insgesamt wurden über 28.300 Stimmen abgegeben und ausgewertet.



Verfasst am Samstag, 22. Februar 2025